Gesundheit
beginnt im Kopf. Dass dies mehr als ein Spruch ist, kristallisiert
sich in wissenschaftlichen Versuchen immer mehr heraus. An der
Universität Würzburg beispielsweise konnten Forscher zeigen, dass
Meditation in Kombination mit bestimmten Atemtechniken erhöhten
Blutdruck senken kann – und das nach nur wenigen Wochen. Der
Herzspezialist Professor Wolfram Voelker und seine Kollegen hatten
26 Probanden mit mittelschwerem, stressbedingtem Bluthochdruck
dazu bewegen können, im Würzburger Benediktinerkloster unter
Anleitung Meditation und spirituelle Atmung einzuüben. Nach vier
Wochen Einführung in diese Techniken und weiteren vier Wochen
Meditation mit zwei Übungseinheiten à 40 Minuten pro Tag – vor und
nach der Arbeit – war bei allen Teilnehmern der Untersuchung der
Blutdruck deutlich niedriger. Der durchschnittliche Ausgangswert
von 151/96 mmHg sank durch die Meditation um rund zwölf Prozent.
Bei der Vergleichsgruppe, die nicht meditierte, stellten die Ärzte
keine Veränderung fest. Mögliche Erklärung:
Die bei Hochdruck-Patienten verengten Blutgefäße entspannen sich
bei dem Mentaltraining, so dass sich der Blutfluss normalisiert.
Denkbar ist aber auch, dass das Gehirn unter dem Einfluss der
Meditation die Ausschüttung von Stresshormonen drosselt, welche zu
einer Verengung der Gefäße führen.
Deutliche Spuren im Gehirn
Dass Meditation nicht „spurlos“ bleibt, haben auch
US-amerikanische Forscher in Untersuchungen nachgewiesen. Ein Team
um Sara Lazar vom Massachusetts General Hospital fand mit
bildgebenden Methoden heraus, dass sich bei Menschen, die
regelmäßig meditieren, die Gehirnstruktur verändert. Bei den
Untersuchungsteilnehmern waren die Bereiche, die zum Beispiel für
Aufmerksamkeit und innere Wahrnehmung zuständig sind, stärker
ausgeprägt als bei den nicht meditierenden Personen der
Kontrollgruppe. Doch nicht nur beim Meditieren nimmt die Psyche
deutlichen und messbaren Einfluss auf körperliche Vorgänge. Auch
beim Biofeedback und beim autogenen Training ist ein Zusammenhang
nachgewiesen worden. Diese Verfahren haben zum Ziel, die Kraft der
Gedanken auf körperlicher Ebene wahrnehmbar oder – beim
Biofeedback – sogar sichtbar werden zu lassen. Sie werden zum
Beispiel bei Rückenschmerzen, Migräne und Spannungskopfschmerz
eingesetzt, ebenso zum Stressmanagement, bei Bluthochdruck sowie
zum Beckenbodentraining bei Inkontinenz.
Entspannung wird sichtbar
Biofeedback ist ein Verfahren der Verhaltensmedizin, mit dessen
Hilfe normalerweise unbewusst ablaufende körperliche Vorgänge
wahrnehmbar gemacht werden. Körpersignale wie etwa die Pulsrate
oder der Spannungszustand der Muskulatur werden von Messfühlern
erfasst, an einen Computer weitergeleitet und grafisch auf einem
Bildschirm dargestellt. So kann der Patient nachvollziehen, wie
seine Messkurven durch bewusste Entspannung und
Aufmerksamkeitslenkung beeinflussbar und kontrollierbar sind. Das
autogene Training bedient sich der Selbstgespräche, die auf
bestimmte Körpervorgänge und -empfindungen bezogen sind. „Positive
Aussagen wie ‚Es geht mir gut‘, ‚Ich bin ganz ruhig‘ oder ‚Ich
vertraue auf mich‘ verändern Gefühlsstimmungen und können über
diese Veränderung langfristig sogar das Immunsystem stärken“,
schildert Maximilian Rieländer, stellvertretender
Fachbereichsleiter für Gesundheitspsychologie im Berufsverband
Deutscher Psychologen. „Die Menschen sollen mit dieser Methode ein
positives Körpergefühl erarbeiten“, sagt der Psychotherapeut.
Vorteil des autogenen Trainings: Nachdem man es unter fachlicher
Anleitung erlernt hat, ist es in nahezu jeder Situation anwendbar.
Um das Bewusstmachen von geistigseelischen Prozessen auf
körperlicher Ebene geht es auch bei der Feldenkrais- Methode, die
zum Beispiel in der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten, bei
Menschen mit orthopädisch bedingten Bewegungseinschränkungen und
in der frühkindlichen Förderung angewendet wird. Sie basiert auf
der wechselseitigen Beziehung zwischen Muskel- und Nervensystem
und soll durch bewusst ausgeführte Bewegungen neue Denkanstöße
geben und Lernprozesse anregen. Ziel ist es, automatisierte oder
stockende Bewegungsmuster aufzubrechen und durch neue zu ersetzen.
Nervenzellen verändern sich
Psyche und Körper können permanent zusammenspielen, weil es
zahlreiche Berührungspunkte zwischen Nerven-, Hormon- und
Immunsystem gibt. Dieses Netzwerk steht in einem ständigen engen
Informationsaustausch, dessen Ablauf erst zu einem geringen Teil
erforscht ist. Der emeritierte Heidelberger Physiologe Johann
Caspar Rüegg geht davon aus, dass die so genannte sprechende
Medizin – also zum Beispiel die Worte eines Arztes oder
Psychotherapeuten sowie Hypnose, Autosuggestion und gedankliches „Bewusstmachen“
– die Aktivität der Nervenzellen des Gehirns verändert. „Alles,
was wir im Gespräch aufnehmen und im Gedächtnis speichern,
verändert unsere neuronalen Netzwerke“, schildert Rüegg. Dieser
Zusammenhang zeige sich umgekehrt auch darin, dass Worte einen
Menschen nicht nur heilen können, sondern auch krank machen.
Schlechte Verknüpfungen lösen
Nach Rüeggs Erkenntnissen hinterlassen Angst einflößende Drohworte
oder so genannte Stresswörter („Mord“, „Tod“, „Selbstmord“,
„Krebs“) Spuren im Gehirn. Sie bewirken dort eine kurzfristige
Überaktivität des linken und des rechten Mandelkerns. Dieser Teil
des so genannten limbischen Systems ist für die emotionale
Bewertung und Verarbeitung von Signalen und damit unter anderem
für Angstreaktionen zuständig. Bei depressiven Patienten bleibe
diese Aktivierung sogar über einen längeren Zeitraum erhalten und
erzeuge auf diese Weise chronischen Stress, der wiederum das
Immunsystem schwäche. Denn unter Stress werden weniger Antikörper
und mehr entzündungsfördernde Botenstoffe gebildet. Die gute
Nachricht des Wissenschaftlers: Krank machende
Nerven-Verknüpfungen können jederzeit auch wieder aufgelöst
werden. Der Erkenntnis folgend, dass jede Erfahrung Spuren in der
Gehirnstruktur hinterlässt, werden aus diesem Grund
Verhaltensänderungen gezielt zur Behandlung psychischer und
körperlicher Erkrankungen eingesetzt. Wichtig ist also, die
Lernfähigkeit des Gehirns immer wieder zu fordern. Dabei bewirken
nicht nur neue Aktivitäten und Gespräche heilsame Veränderungen an
Nervenzellen und deren Verbindungsstellen, den Synapsen. Auch
Gedanken und Vorstellungen vermögen die Hirnstruktur zu verändern
– und so ihre heilende Kraft zu entfalten.